Polyphonie

Polyphonie
Po|ly|pho|nie 〈f. 19; unz.〉 = Polyfonie

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Polyphonie
 
[griechisch polyphōnía »Vielstimmigkeit«] die, -,  
 1) Musik: mehrstimmige Kompositionsweise, die im Gegensatz zur Homophonie durch weitgehende Selbstständigkeit und linearen (kontrapunktischen) Verlauf der Stimmen gekennzeichnet ist. Der melodische Eigenwert der Stimmen (selbstständiger melodischer Sinn, eigene Rhythmusbildung) hat dabei den Vorrang vor der harmonischen Bindung, die in tonaler Musik jedoch durchgängig erhalten bleibt. Polyphonie in diesem Sinne ist am reinsten ausgeprägt in den Vokalwerken der frankoflämischen Schule mit dem Höhepunkt im 16. Jahrhundert bei O. di Lasso und G. Palestrina. Polyphones Denken (Kontrapunkt) setzt jedoch weitaus früher ein. Es beherrscht das Werden abendländischer Mehrstimmigkeit von der Frühzeit an und verwirklicht sich deutlich bereits im Organum der Notre-Dame-Epoche sowie in den (isorhythmischen) Motetten der Ars nova (Guillaume de Machault). Auch nach 1600 blieb das Ideal der Polyphonie neben der vom Generalbass beherrschten Setzweise erhalten und tritt in den Werken J. S. Bachs noch einmal in Vollendung hervor. Die hieran orientierte polyphone Setzweise bestimmt teilweise noch das obligate Akkompagnement der Wiener Klassik, die kontrapunktisch bestimmte Richtung der Hoch- und Spätromantik (J. Brahms, M. Reger) sowie die atonale Polyphonie der Wiener Schule (A. Schönberg, A. Berg). Die Musik des 20. Jahrhunderts ist zum Teil betont polyphon orientiert (P. Hindemith, H. Distler, E. Pepping, O. Messiaen, K. Penderecki), insgesamt verliert der traditionelle Gegensatz zwischen Polyphonie und Homophonie in der Moderne nach 1950 allerdings an Bedeutung zugunsten einer Durchdringung beider Setzweisen.
 
 
W. Apel: Die Notation der polyphonen Musik, 900-1600 (Leipzig 31981);
 M. F. Bukofzer: Music in the Baroque era (Neudr. London 1983);
 I. Bossuyt: Die Kunst der P. Die fläm. Musik von Guillaume Dufay bis Orlando di Lasso (Zürich 1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
polyphone Kunst und Textdarstellung
 
Polyphonie: Die Anfänge der Mehrstimmigkeit
 
 2) Schriftgeschichte: die Erscheinung, dass viele Zeichen ursprünglicher Bilderschriften mehrere Lautwerte besitzen, da sie für mehrere Begriffe stehen konnten (z. B. die Sonnenscheibe im Altägyptischen, die auch den Tag bezeichnet). Semantisch eindeutig wurden die Zeichen durch lautliche Komplemente (einlautige Zeichen mit Hinweisfunktion auf einen bestimmten Laut) oder durch sinndeutende Zeichen (Determinativ).

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Po|ly|pho|nie, die; - [griech. polyphōnía = Vieltönigkeit, Vielstimmigkeit] (Musik): Kompositionsweise, -technik, bei der die verschiedenen Stimmen selbstständig linear geführt werden u. die melodische Eigenständigkeit der Stimmen Vorrang vor der harmonischen Bindung hat.

Universal-Lexikon. 2012.

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